Das neue Schuljahr hat begonnen, die Einschulung ist vorüber. Häufig nehmen jetzt die ersten Zweifel bei den Eltern zu:
„Ist mein Kind wirklich schon reif für die Schule?“
„War das mit der Einschulung eine gute Idee?“
Im Normalfall (aber was ist schon normal?) haben Eltern ein Gefühl und können abschätzen, ob sie ihrem Kind den Schulalltag schon zutrauen (können). Dann ist da ja auch meist noch der Kindergarten, der auch beraten kann (und sollte). Zu den Einschulungsuntersuchungen wird man dann auch entsprechend eingeladen (oder vorgeladen, je nach dem, wie man dazu steht) und auch der eigene Kinderarzt wird sicher eine Prognose abgeben können. Und wenn es knifflig wird oder es Hinweise auf Probleme gibt, wird die Schulleitung zu einem Gespräch einladen und beraten. Oft wird dann noch ein kleiner, schuleigener Test mit dem Kind gemacht. Und dann wird fast immer festgestellt, dass das Kind eingeschult werden kann oder sollte.
Können sich all´ diese Menschen irren?
Ja, sie können!
Und das ist normal und kommt immer wieder vor. Eigentlich auch nichts Außergewöhnliches. Warum auch? Wenn man bedenkt, dass das ganze Verfahren um die Einschulung schon ein Jahr vorher beginnt! Die meisten Kinder entwickeln sich in dieser Zeit noch in einem erheblichen Maße weiter. Gerade in den Sommermonaten bzw. in den Sommerferien machen alle Kinder den „berühmten Schuss“:
Kinder…
- wachsen und werden schwerer,
- sind groß und stabil genug für die Schule (körperliche Schulfähigkeit),
- werden geschickter und koordinierter in ihrer Fein- und Grobmotorik (motorische Schulfähigkeit),
- werden souveräner (kognitive Schulfähigkeit),
- passen sich besser an soziale Gruppe, Konstellation und Konventionen an (sozialer Schulfähigkeit),
- werden zuversichtlicher, angstfreier, belastbarer, freier und losgelöster (emotionale Schulfähigkeit),
- lernen, mit komplexeren Situationen aller Art besser umzugehen.
Doch nicht alle!
Man kann die Motorik trainieren, soziale Regeln einüben, komplexe Situationen mit Eselsbrücken und kleinen Hilfen ausgleichen, und so weiter. Vieles lässt sich vorübergehend oder dauerhaft kompensieren. Nur die emotionale Stabilität muss aus dem Kind heraus erwachsen und stark werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, genau dieses Kriterium der Schulfähigkeit zu betrachten:
In meinen Augen ist die emotionale Schulfähigkeit das wichtigste Kriterium, um über die Einschulung zu entscheiden – oder auch nicht.
Keinem Kind ist geholfen, wenn es aufgrund von Trennungsängsten, Unsicherheiten und noch nicht ausreichend aufgebautem Selbstbewusstsein unter Zwang die Schule besuchen „muss“ und sich daraus im Laufe der Zeit eine echte Schulangst entwickelt.
Alles zu seiner Zeit, manche Kinder benötigen einfach noch ein bisschen (mehr) Zeit zum Reifen als andere. Und das gilt immer – auch unabhängig vom politischen Willen oder pädagogischen Strömungen!
Stichtag für die Einschulung
Die genauen Regelungen zur Schulpflicht habe ich auf der Themenseite Schulpflicht in Niedersachsen beschrieben. Kurz: Alle Kinder, die bis zum 30.09. eines Jahres 6 Jahre alt werden, werden schulpflichtig. Ja, auch wenn das Schuljahr schon im August beginnt.
In den letzten Jahren ist der Stichtag vom 30.06. auf den 30.09. eines Jahres verlegt worden. Auch der 1.10. gehört übrigens noch dazu. Für die Schulen hat das zur Folge, dass viele Kinder 6 Jahre alt werden, wenn sie schon die Schule besuchen. Es ist deutlich festzustellen, dass ein signifikanter Anteil der Kinder einer heutigen Schulklasse jünger ist als früher.
Viele Initiativen und Verbände kritisieren die aktuelle Stichtagsregelung und fordern eine Rückkehr zum 30.6. eines Jahres. Meines Erachtens ist es letztlich nicht so wichtig, ob es der 30.06. oder 30.09. ist. Viel wichter ist die individuelle Entscheidung der Schulleitung.
Lesen Sie auch den Blogbeitrag „Flexibler Einschulungsstichtag“ sowie die Informationseite zum „flexiblen Einschulungsstichtag“.
Schulleitung entscheidet über die Einschulung
Ist ein Kind schulpflichtig geworden oder wird es zum Schuljahr schulpflichtig, entscheidet die Schulleitung, ob das Kind eingeschult wird oder nicht.
Neben den Aussagend der Eltern, des Kindergartens, der Einschulungsuntersuchung wird die Schulleitung auch ein Gespräch mit den Eltern führen, insbesondere, wenn es Hinweise gibt, dass die Einschulung unter Umständen vakant sein könnte.
Hier liegt es in der pädagogischen Entscheidung und im Ermessen der Schulleitung, ein Kind einzuschulen oder zurückzustellen.
Und wenn ein Kind zum 10.09. sechs Jahre alt wird und somit schulpflichtig ist, jedoch außerordentliche und vielschichtige Bedenken in Bezug auf die Einschulung herrschen, so muss der Appell an die Schulleitungen gerichtet werden, immer das Wohl des Kindes in den Blickpunkt der Entscheidung zu stellen.
Zurückstellungen vor der Einschulung sind möglich und in den wenigen Fällen auch notwendig. Lesen Sie hierzu meine Themenseite Zurückstellung vom Schulbesuch für weiterführende Informationen.
Autor & Herausgeber

Björn Bauch ist langjähriger Leiter einer Grundschule. Sein Ziel ist die Minimierung von Missverständnissen und Unwissenheiten rund um die Themen der Grundschule.
In seiner freien Zeit beschreibt er seine Gedanken und Meinungen zur aktuellen Schulpolitik hier in seinem Grundschulblog. Weiterführende Informationen rund um das Thema Grundschule erhalten Sie auch hier auf den Informationseiten von https://www.grundschul.tips
Über den Autor
Björn Bauch ist langjähriger Leiter einer Grundschule. Sein Ziel ist die Minimierung von Missverständnissen und Unwissenheiten rund um die Themen der Grundschule.
In seiner freien Zeit beschreibt er seine Gedanken und Meinungen zur aktuellen Schulpolitik hier in seinem Grundschulblog. Weiterführende Informationen rund um das Thema Grundschule erhalten Sie auch hier auf den Informationseiten von https://www.grundschul.tips
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